Urlaubstagebuch Island – Teil 5
Auf den Spuren von Jules Verne
Da saßen wir nun also in unserem kleinen Suzuki und harrten der Dinge, die da noch kommen würden. Um uns herum war alles weiß, mit ganz viel Glück konnte man zu unserer Rechten ab und an mal die Fellswand der Rauðfeldsgjá erahnen… Primär betrug die Sichtweite aber gefühlt nur knapp 50 Meter.
Nach einiger Zeit lichtete es sich allerdings wieder etwas. Wir beschlossen, uns nicht entmutigen zu lassen und setzen uns in Bewegung – Ziel war schließlich nach wie vor, den Kirkjufell zu erreichen.
Einen weiteren interessanten Zwischenstopp hatten wir uns vorab noch herausgesucht. Die Vulkansteinhöhle Vatnshellir, unweit vom Vulkan Snæfellsjökull. Im Schneckentempo ging es nun also immer weiter Richtung Westen. Die Sicht war nach wie vor sehr schlecht und wir mussten wirklich aufpassen, überhaupt auf der Straße zu bleiben. Mittlerweile hatte es auch wieder angefangen zu schneien.
Wie lange wir letztlich für die knapp 13 Kilometer von der Rauðfeldsgjá zur Vatnshellir gebraucht haben, kann ich nicht mehr genau sagen. Es zog sich aber schon ein Weilchen 😀
Durch die schlechten Witterungsbedingungen – aber auch weil ich es zugegebenermaßen schlicht vergessen hatte – haben wir auf dieser Strecke leider verpasst, einen Zwischenstopp am Londrangar einzulegen. Die schönen Basalt-Felsnadeln sollen bei entsprechender Sicht ein wirklich tolles Panorama bieten. Durch Wolken, Schnee und Sturm hätten wir an diesem Tag aber wahrscheinlich ohnehin nicht viel gesehen, daher ließ sich das vorerst verschmerzen. Vorerst ging es also immer weiter die Útnesvegur (der einzigen größeren Straße auf Snæfellsnes) westwärts entlang.
Irgendwann tauchten dann aber am rechten Straßenrand tatsächlich ein kleiner Parkplatz und ein winziges, grün angestrichenes Häuschen auf. Und das Beste: Auf dem Parkplatz standen tatsächlich zwei Autos. Die ersten Hinweise auf Menschen, seit wir am Morgen Reykjavík verlassen hatten 😀
Guter Dinge haben wir unser Auto dann direkt daneben gestellt und uns in das kleine, aber zum Glück gut beheizte Häuschen begeben. Dort trafen wir dann zwei weitere Touristen und Ægir, den Besitzer und Guide, der die Führung durch die Höhle übernehmen sollte. Wir hatten Glück, denn die nächste Tour sollte in ungefähr 15 Minuten starten. Mit 3250,00 Kronen (ca. 24,00 €) pro Person war die Tour zwar nicht gerade ein Schnäppchen, aber wir haben trotzdem nicht lange gezögert und uns von Ægir mit Helm und Grubenlampen ausstatten lassen. Da es unwahrscheinlich war, dass in absehbarer Zeit noch weitere Leute zu unserer Gruppe dazu stoßen würden, haben wir uns nach einer kurzen Sicherheitseinweisung gleich in Richtung Höhle aufgemacht.
Als wir die kleine Hütte verließen, blies es uns aber wortwörtlich beinah um. Der Wind hatte unwahrscheinlich zugenommen und die knapp 50 Meter vom Parkplatz zum Eingang der knapp 8000 Jahre alten Höhle waren ein richtiger Kraftakt.
Der Einstieg in die Höhle selbst erfolgt durch eine ca. 8 Meter hohe Wendeltreppe, zu welcher man durch ein kleines Metall-Silo gelangt. Dieses ist in den schneefreien Monaten problemlos zu erreichen, war bei unserem Besuch aber unter einer mehrere Meter dicken Schneedecke verborgen, in welche die Höhlen-Crew einen schmalen Zugang gegraben hatte.
In der Vatnshellir herrscht das gesamte Jahr über eine Durchschnittstemperatur von ziemlich konstanten 6° C. Es empfiehlt sich also definitiv warme Kleidung und vor allem festes Schuhwerk, da der Boden mit sehr viel spitzen Steinen und losem Geröll überseht ist – kein Problem für uns, da wir ja sowieso in Winterklamotten unterwegs waren. Ægir erzählte uns aber, dass er – vor allem in den Sommermonaten – schon des Öfteren Touristen abweisen musste, die die Höhle mit Flipflops oder gar High Heels betreten wollten 😀
In der unteren Etage der Vulkanhöhle, zu welcher man über eine nochmals circa 12 Meter hohe Wendeltreppe gelangt, befindet man sich letztendlich ungefähr 32 Meter unter der Erde. An dieser Stelle sollten wir dann sämtliche Lichter ausschalten und einfach einmal die absolute Dunkelheit auf uns wirken lassen. Das war eine ziemlich coole Erfahrung.
Alles in allem dauerte die Tour knapp 45 Minuten und unser Guide hat uns viele spannende Infos über Vulkansteinhöhlen und deren Entstehung erzählt. Interessant ist die Vatnshellir zudem wegen ihrer vielen abstrakten und teils in den verrücktesten Farben schimmernden Felsformationen. Die Farben würden laut der Erklärung unseres Guides wohl durch eine besondere (für uns natürlich völlig harmlose) Bakterienart entstehen. Diese soll aber recht lichtempfindlich sein, weswegen man sie nach Möglichkeit nicht lange anleuchten oder mit Blitzlicht fotografieren sollte.
Was die Vatnshellir aber letztlich von allen anderen Höhlen abhebt bzw. was sie so bekannt macht, ist die Tatsache, dass sie eine tragende Rolle im 1864 erschienenen Literatur-Klassiker „Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“ inne hat. In dem bekannten Fantasy-Roman von Jules Verne bildet die Höhle den Zugang zum Mittelpunkt der Erde, welchen Professor Otto Lindenbrock und seine Gefährten mithilfe eines alten isländischen Manuskripts (wieder-) entdecken.
„Steig hinab in den Krater des Sneffels Yocul, welchen der Schatten des Skartaris vor dem ersten Juli liebkoset, kühner Wanderer, und Du wirst zum Mittelpunkt der Erde gelangen. Das hab ich vollbracht.“
– Jules Verne, „Reise zum Mittelpunkt der Erde“
Wir wurden dort unten allerdings weder von Sauriern angegriffen noch kamen wir am Ende der Tour unerwarteterweise plötzlich in Sizilien wieder ans Tageslicht 😀
An sich aber dennoch ein schönes Erlebnis und ich kann einen Besuch in der Vatnshellir definitiv empfehlen – sofern man weder an ausgeprägter Platz- oder Höhenangst leidet oder sich im Dunkeln fürchtet 😉
Nachdem die Tour beendet war und wir wieder an die Oberfläche zurückkehrten, folgte aber gleich ein richtiger Dämpfer… Der zuvor schon extrem starke Wind war mittlerweile zu einem unglaublich heftigen Sturm angewachsen. Wir flüchteten uns erst einmal alle in Ægirs kleine Hütte, von wo aus dieser mit den Parkrangern, welche weiter im Nordwesten stationiert waren, Funkkontakt aufnehmen wollte. Kurz darauf dann die endgültige Ernüchterung: Der Sturm sollte schon beinahe Blizzard-artige Züge annehmen. Aufgrund dessen wurde die Straße von der Polizei komplett gesperrt. Eine Weiterfahrt wurde nicht nur verboten sondern wäre zudem unglaublich gefährlich gewesen. Das war nun also das endgültige Aus für meinen Plan, zum Kirkjufell zu gelangen… Die Enttäuschung war natürlich erst einmal ziemlich groß, schließlich sollte das eines der Highlights meines Island-Trips werden. Mit Blick auf unser kleines, definitiv nicht für heftige Island-Winterstürme ausgelegtes Auto beschlossen wir, kein unnötiges Risiko einzugehen und machten uns auf den Rückweg nach Reykjavík. Je weiter wir nach Osten kamen, desto besser wurde auch das Wetter wieder. Es war wie verhext… Auf unserem Rückweg konnten wir glücklicherweise eine etwas andere Route nehmen, wodurch wir nochmals zu einigen schönen Fotospots entlang der Küste kamen und somit der Tag doch noch mit einigen abschließenden Highlights versüßt wurde. Alles in allem ein ereignisreicher und sehr abenteuerlicher Tag, auch wenn er letztlich nicht so ablief, wie ich es im Vorfeld geplant hatte.